Wie sich die unzusammenhängende Radverkehrspolitik beim Queren bemerkbar macht

Dass es zukünftig eine schnellere Bahn-Verbindung auf der Pottendorfer-Linie gibt, ist erfreulich, dass der Radverkehr im Zuge der Umbauten zum Teil auf der Strecke bleibt, weniger. Wo das eine klimafreundliche Verkehrsmittel gefördert wird, heißt es für die anderen: bitte warten. Die Infrastruktur für den PKW bleibt wie gewohnt: gesichert.

Radverkehr auf der Wartebank

Das Beispiel der Bahnüberführung zwischen Ebreichsdorf und Wampersdorf soll hier stellvertretend für die zahlreichen anderen Beispiele in Niederösterreich stehen, wo neue Infrastruktur (im Sinne der Mobilitätswende) geschaffen wurde, aber der Radverkehr außen vorgelassen wurde.

Ebreichsdorf und Wampersdorf sind Gemeinden südlich von Wien, die an der Pottendorfer-Linie liegen. Die Strecke wird derzeit ausgebaut und gemäß der „Erhöhung der Sicherheit auf Straße und Schiene durch Auflassung von niveaugleichen Eisenbahnkreuzungen“ wurde eine Überführung errichtet. Kostenpunkt laut ÖBB Pressemitteilung €2,2 Millionen.

Wo man früher als RadfahrerIn entlang der B16 niveaugleich über die Schienen gemeinsam mit dem KFZ-Verkehr fuhr, ist seit Oktober 2020 eine Brücke über die Bahngleise. Will man als RadfahrerIn zwischen Wampersdorf und Ebreichsdorf fahren, hat man derzeit 3 Möglichkeiten: einen kilometer-weiten Umweg, um die Überführung zu vermeiden oder absteigen und auf dem als Gehweg gekennzeichneten schmalen Streifen das Rad schieben oder gemeinsam mit dem KFZ-Verkehr über die Brücke radeln.

Entscheidet man sich dafür, das Rad zu schieben, weil auf dem Gehweg gemäß StVo das Radfahren verboten ist, bewegt man sich nicht ungefährlich. Da es kein Geländer gibt, bis auf den Abschnitt direkt über den Gleisen, und keine Beleuchtung, ist das Gehen auf dem max. 1,5 Meter breiten Gehsteig bei Dämmerung, Dunkelheit oder wenn jemand entgegenkommt (womöglich mit Rad oder Kinderwagen) mit einem gewissen Risiko verbunden.

Wählt man die Option mit dem KFZ gemeinsam über die Brücke zu fahren, begibt man sich in Gefahr. Aufgrund des hohen Geschwindigkeitsunterschiedes zwischen KFZ und RadfahrerInnen, vor allem beim Bergauffahren, und der schlechten Sichtbeziehungen mit dem entgegenkommenden Verkehr, ist das Radfahren im Mischverkehr wenig empfehlenswert. Da diese Brücke zum Bahnhof Wampersdorf führt, ist spätestens in den wärmeren Monaten mit RadfahrerInnen zu rechnen.

Verkehrssicherheit nur für KFZ

Keine der genannten Möglichkeiten ist attraktiv für den Radverkehr. Die Verbesserung der Verkehrssicherheit, wie sie Landesrat Schleritzko beschreibt – „Für das Land Niederösterreich ist die Sicherheit im Verkehr ein oberstes Gebot. Die neue Bahnüberführung trägt wesentlich zu mehr Verkehrssicherheit bei […] Das beschleunigt den Verkehr und garantiert rascheres und sicheres Voran- kommen.“ (Zitat aus Pressemitteilung der ÖBB vom 22.10.2020) – trifft leider nur auf den KFZ-Verkehr zu. Für den Radverkehr bedeutet die Überführung, so wie sie derzeit ausgeführt ist, eine Verschlechterung der Verkehrssicherheit. Eine wesentliche Verbesserung der Situation ist frühestens im Sommer 2024 zu erwarten. Eine Unterführung soll dann eine direkte Verbindung zum Bahnhof schaffen, die von FußgängerInnen und RadfahrerInnen genutzt werden kann.

Was als missglückter Einzelfall erscheint, ist leider systemimmanent. Die Zuständigkeiten, was die Planung, Errichtung und Instandhaltung von Straßen und Überführungen bzw. Unterführungen betrifft, sind zwischen Gemeinden und dem Land Niederösterreich sowie im Fall der Bahnquerungen der ÖBB aufgeteilt. Die Zuständigkeit für den Radverkehr liegt bei den Gemeinden, die Zuständigkeit für die Landesstraßen beim Land und die Spezialbauten verantwortet die ÖBB. Wer ist nun also zuständig für die Misere? An welche Stelle muss man sich wenden, um eine Verbesserung für den Radverkehr zu erreichen?

Wo es bei der Errichtung von KFZ-Infrastrukturen klare Zuständigkeiten, eindeutige Mindeststandards und geregelte Abläufe gibt, fehlt dies bei der Errichtung von Radverkehrsinfrastrukturen derzeit noch. Doch nicht nur die Zuständigkeiten und die Verfahren erweisen sich als Herausforderungen bei der Förderung des Radverkehrs, auch das politische Bekenntnis dem Radverkehr Platz zu geben und diese Infrastruktur in Stand zu halten, ist nicht vollends gegeben.

Widersprüchliche Politik

Das Land Niederösterreich hat im Jahr 2020 einerseits ein Budget von €3 Millionen für die Radinfrastrukturförderung zur Verfügung gestellt. Dass andererseits auf einer Brücke im Wert von €2,2 Millionen der Radverkehr vorerst nicht berücksichtigt wurde, ist leider auch Realität. Mit der Errichtung der Überführung wurde zwar keine Lücke im Radwegenetz verursacht, da keines vorhanden ist, aber für die nächsten Jahre, bleibt die Situation unzufriedenstellend für die FußgängerInnen und die RadfahrerInnen.

Schauplatzwechsel: etwa 3,5 km entfernt von der Bahnüberführung kreuzen sich die B60 und die B16 im Ortsgebiet von Weigelsdorf. Die T-Kreuzung ist ampelgeregelt. Es gibt einen Zebrastreifen für die FußgängerInnen über die B60 und einen über die B16. Der Radverkehr wurde an dieser Kreuzung nicht berücksichtigt. Als RadfahrerIn bewegt man sich üblicherweise sicherer, aber nicht StVo konform auf dem Gehsteig. Auch diese Situation ist kein Einzelfall. Durch viele der niederösterreichischen Gemeinden verlaufen Landesstraßen, etliche davon stark befahren. Wie es gelingt das Queren von Landesstraßen für die RadfahrerInnen, aber auch die FußgängerInnen einfacher zu machen, beschäftigt viele Gemeinden, da sie für die Radverkehrs- und Fußverkehrsplanung zuständig sind. Die Zusammenführung der notwendigen Prozesse zwischen Kommunen und dem Land in Hinblick auf das Radfahren und Zufußgehen, ist bis dato noch nicht standardisiert oder durch festgelegte Verfahren geregelt. In Gemeinden mit engagierten Zuständigen ist die Radinfrastruktur vorhanden, in Gemeinden in denen dem Radverkehr wenig Priorität zukommt, nicht.

Als VertreterInnen der RadfahrerInnen sehen wir uns mit zahlreichen dieser Beispiele konfrontiert. Eine schnelle Verbesserung zu erreichen, ist oftmals nicht möglich, weil wie bereits beschrieben viele Zuständigkeiten bestehen. Als Radlobby Niederösterreich bleiben wir dran, um zu erreichen, dass die Radinfrastruktur qualitätsvoller umgesetzt wird und Alltagsmanöver wie Queren von Bahngleisen und Kreuzungsbereichen einfacher, sicherer und komfortabler werden.

In den Gemeinden haben sich die BewohnerInnen mit den Gegebenheiten mehr schlecht als recht arrangiert. Dass RadfahrerInnen am Gehsteig fahren, wird geduldet. Dass die Bahnverbindung verbessert wird, freut zumindest jene, die oft mit dem Zug fahren. Und jene die mit dem Rad zum Bahnhof fahren, müssen sich noch bis 2024 gedulden, bis es eine sichere und qualitätsvollere Alternative gibt.

Wie kommen RadfahrerInnen auf die andere Seite?