Sehr geehrter Herr Bürgermeister Mag. Klaus Schneeberger,

wir haben den lokalen Medien entnommen, dass die Initiative „Pro Ostumfahrung“ gestartet wurde. Sehr verwundert haben uns die Vorgangsweise und die Umsetzung.

Es wird nicht offengelegt, wer hinter dem Verein Bürgerservice Wiener Neustadt steht. Es ist die ÖVP Wr. Neustadt – das belegt ein Blick ins Vereinsregister.

Noch weniger nachvollziehbar ist, wie um die Unterschrift von Bürgerinnen und Bürgern geworben wird. KEIN EINZIGES Argument ist mit nachvollziehbaren Zahlen, Fakten und Quellenangaben belegt. Als Gründe, die für den Bau der Ostumfahrung sprechen, werden auf der Website www.pro-ostumfahrung.at angeführt:

  • weniger Verkehr im Osten Wiener Neustadts und in Lichtenwörth von bis zu 40% – keine Quelle; keine Angabe, wo diese 40 % erwartet werden, für welche Zeitspanne das gilt und unter welchen Bedingungen dieser Wert zustande kommt
  • weniger Unfälle mit Personenschaden – keine Zahlen, keine Quelle
  • weniger Lärmkeine Zahlen, keine Quelle
  • weniger Luftimissionen  – keine Zahlen, keine Quelle
  • dass die Ostumfahrung die einmalige Chance zur attraktiven Gestaltung der Grazer Straße bietet – keine Angaben, ob und wenn ja, welchen Zusammenhang es zwischen diesen Projekten gibt und was unter einer „attraktiven Gestaltung“ – auch nur ungefähr – zu verstehen ist. Anmerkung: eine Verkehrsberuhigung der Grazer Straße ist natürlich auch in unserem Interesse.

Auch die Bildersprache ist irreführend. Als tragendes grafisches Element wird die Ostumfahrung mit einer Landstraße im Grünen illustriert. Das hat mit der Realität nichts zu tun – die Umfahrung soll von einem bis zu mehr als 10 m hohen Wall samt Lärmschutzwand umgeben werden.

Zahlen & Fakten zu diesem Projekt gibt es schon lange. Sie stammen vom Land Niederösterreich und sie sprechen – aus unserer Sicht – deutlich gegen das Projekt. Sie kennen diese, wir haben Sie gemeinsam mit der Initiative „Ostumfahrung – So nicht!“ an die Öffentlichkeit gebracht. Im Rahmen unserer Möglichkeiten unterstützen wir und versuchen für Transparenz zu sorgen. Die Initiative stellt Zahlen & Fakten auf der Website www.ostumfahrung.at für jeden nachvollziehbar online. Wir haben gemeinsam mit der Initiative und den Grünen auch eine BürgerInnen-Veranstaltung organisiert und dort über diese Zahlen & Fakten öffentlich diskutiert. Weder von der ÖVP noch von der SPÖ, der FPÖ, der Liste Haberler und der Liste Sluka-Grabner sind PolitikerInnen der Einladung gefolgt.

Uns verwundert diese populistische Vorgangsweise der ÖVP-Initiative „Pro Ostumfahrung“ umso mehr, da wir nach unserem letzten Treffen mit Baustadtrat Franz Dinhobl davon ausgegangen sind, dass nach unserer lang anhaltenden und mit immer mehr Unterschriften untermauerten Kritik, endlich Fakten auf den Tisch kommen. Baustadtrat Dinhobl sagte uns zu, dass die Stadt Wiener Neustadt beim Land Niederösterreich die Erweiterung der vorliegenden Verkehrsstudie zur Ostumfahrung um drei Punkte einholt:

  • Szenario 2 – Verkehrsberuhigung mit Ostumfahrung 2030: Trendprognose mit Errichtung der B 17 Umfahrung Wiener Neustadt Ost, Teil 2 mit einer starken Verkehrsberuhigung in der Ortsdurchfahrt Lichtenwörth (und zusätzlich neu) einer Verkehrsberuhigung der Grazer Straße und Nestroystraße+Hohe Brücke+Lorenzgasse und
  • Szenario 3 – Verkehrsberuhigung ohne Ostumfahrung 2030: Trendprognose ohne Errichtung der B 17 Umfahrung Wiener Neustadt Ost, Teil 2 mit einer starken Verkehrsberuhigung in der Ortsdurchfahrt Lichtenwörth sowie einer Verkehrsberuhigung der Grazer Straße und Nestroystraße+Hohe Brücke+Lorenzgasse und
  • Ausweisung des Anteils des Durchzugsverkehrs (aktuell und für die Szenarien).

Auf der Website www.pro-ostumfahrung.at ist von dieser Erweiterung der Verkehrsstudie unter dem Punkt „Projektstatus und Zeitplan“ allerdings keine Rede. Werden diese zugesagten und für eine Entscheidung relevanten Zahlen jetzt wirklich erhoben, ausgewertet und veröffentlicht oder nicht?

Wir weisen darauf hin, dass mit der populistischen Initiative „Pro Ostumfahrung“ bei den BürgerInnen völlig falsche Erwartungen und Hoffnungen geweckt werden. Gleichzeitig befürchten wir, dass BürgerInnen gegeneinander aufgebracht werden. AnrainerInnen, die von der geplanten Ostumfahrung negativ betroffen sind, werden gegen AnrainerInnen, die auf die in keinem einzigen Fall belegten Argumente guten Glaubens vertrauen, ausgespielt.

Wir bitten Sie dringlich, dass Sie und Ihre Partei bei diesem Projekt zu einer sachlichen Vorgangsweise zurückkehren und Ihrer politischen Verantwortung nachkommen.

Nutzen Sie Ihre guten Kontakte zum Land Niederösterreich und fordern Sie die bisher ausstehenden Zahlen & Fakten ein. Reagieren Sie auf das offensichtliche, große Interesse aus der Bevölkerung und binden Sie Ihre BürgerInnen ein – egal ob Befürworter oder Gegner der Ostumfahrung. Starten Sie einen Bürgerbeteiligungsprozess. Nutzen Sie den bis Ende 2017 laufenden Prozess Stadtentwicklungsplan STEP 2030 in Wiener Neustadt – neben PolitikerInnen, BürgerInnen, Verwaltung und ist auch das Land  Niederösterreich eingebunden. Im Rahmen des STEP 2030 sollte analysiert werden, ob dieses mehr als 40 Jahre alte Projekt überhaupt noch zeitgemäß ist und den sich ändernden politischen Rahmenbedingungen im Klimaschutz sowie dem sich ändernden Mobilitätsverhalten überhaupt noch Rechnung tragen kann.

Wir bitten um Ihre Stellungnahme. Wir würden uns aber noch mehr über einen persönlichen Termin zur Klärung der weiteren Vorgangsweise der Stadt Wiener Neustadt und Ihrer Partei in dieser Angelegenheit freuen.

Mit freundlichen Grüßen
Radlobby Wiener Neustadt


Antwort von Bürgermeister Klaus Schneeberger am 18. August 2016
Ostumfahrung Wiener Neustadt:
Offener Brief an Bürgermeister Schneeberger
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