Radfahren – lebensgefährlich?

Das Risiko, beim Radfahren tödlich zu verunglücken, ist in Niederösterreich deutlich höher als in jedem anderen Bundesland. Von 40 Radler*innen, die 2020 in Österreich starben, verloren neun – also fast ein Viertel – ihr Leben auf niederösterreichischen Straßen (Quelle: Die Presse vom 17.4.21). Zum Vergleich: In Wien starb im selben Zeitraum keine einzige Person, die mit dem Rad unterwegs war.

Manche haben noch Glück, wie jener Radfahrer, der am 29.12.2020 in der Kurve des Wolkersdorfer Boindlfelds von einem Autolenker gerammt wurde. Der Autolenker hatte bei 60 km/h die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren. Der Radfahrer wurde mit schweren Kopfverletzungen ins Spital eingeliefert. Er überlebte den Unfall.

Schnelle Reaktion der Politik

Nun wurde in derselben Kurve des Boindlfelds, wo sich der Unfall ereignet hatte, eine Geschwindigkeitsbegrenzung eingeführt. Dass Politik und Straßenverwaltung hier schnell reagiert haben, ist erfreulich. Doch die getroffene Maßnahme ist leider nicht geeignet, diesen gefährlichen Straßenabschnitt sicherer zu machen.

Was bring Tempolimit 70 in einer Kurve?

Das liegt erstens an der Höhe der eingeführten Geschwindigkeitsbegrenzung: 70 km/h. Der Autofahrer, der den Radfahrer am Boindlfeld schwer verletzte, war mit 60 km/h unterwegs. Bekanntlich sinkt die Chance, eine Kollision mit einem PKW zu überleben, mit steigender Geschwindigkeit rapide. Schon bei Unfällen mit 60 km/h sind keine leichtverletzten Fußgänger*innen und Radfahrer*innen mehr zu erwarten (Quelle: Gert Sammer/Michael Meschik, Argumentarium für Tempo 30 oder 40, in Auftrag gegeben vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung 2007).

Zweitens wurde die Geschwindigkeitsbegrenzung nur auf einer Länge von 170 Metern eingeführt. Auf den restlichen 630 Metern zwischen den Ortseingängen von Wolkersdorf und Obersdorf gilt weiter Tempo 100. Wir fragen: Welchen Sinn hat es, ein Auto auf wenigen hundert Metern auf 100 km/h zu beschleunigen, dann auf 70 abzubremsen, es wieder kurz zu beschleunigen, um es dann auf 50 abzubremsen? Zeit gewinnt man dadurch kaum. Dafür entstehen erheblich mehr Lärm und Emissionen.

Hier die aktuelle Situation:

blaue Linie: 800 m – Strecke zwischen den Ortsgebieten
rote Linie: 170 m – Strecke Tempolimit 70 km/h

Ein derartiges Flickwerk erscheint umso unsinniger, als am Boindlfeld die letzten zwei Jahre eine Wohnhausanlage mit 140 Einheiten errichtet wurde. In unmittelbarer Nähe befinden sich ein Gymnasium, ein Kindergarten, ein Landespflegeheim und weitere Wohngebäude. Anrainer*innen, Schüler*innen, Kindergartenkinder wie auch viele andere Menschen aus Wolkersdorf und Obersdorf, die in den nahegelegenen Weinbergen und im Hochleithenwald Erholung suchen und Sport treiben, gehen über das Boindlfeld. Und laufen somit Gefahr, in Unfälle mit schnell fahrenden Autos verwickelt zu werden.

Hier eine Fotostrecke vom Ortsgebiet Wolkersdorf nach Obersdorf:

Radlobby fordert Tempo 50 für das Boindlfeld

Die Radlobby fordert daher, die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf dem gesamten Boindlfeld zwischen den Ortsteilen von Wolkersdorf und Oberdorf auf 50 km/h herabzusetzen. Weiters sollte am Boindlfeld ein straßenbegleitender Fuß- und Radweg angelegt werden, um der vorangeschrittenen Stadtentwicklung in diesem Gebiet Rechnung zu tragen.

Politik und Straßenverwaltung sind aufgefordert, endlich konsequent zu handeln! Es ist ihre Aufgabe, das Leben der schwächsten Verkehrsteilnehmer zu schützen. Politik und Verwaltung stehen in der Verantwortung, die für Niederösterreich beschämende Zahl an tödlichen Unfällen zu reduzieren.

Die Dokumente Stellungnahme de KFV zum Schnellfahrerpaket und das Argumentarium für niedrige Tempolimits in verkehrsberuhigten Gebieten (Auftraggeber Niederösterreichische Landesregierung) untermauern eindrücklich die Korrelation zwischen Geschwindigkeit und Unfallschwere.

Boindlfeld – bringt Tempolimit 70 in einer Kurve mehr Sicherheit?
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